Schutz vor Röntgenstrahlen: DVS-Richtlinie 3205

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Im August 2021 hat der DVS (Deutscher Verband für Schweißen und verwandte Verfahren e.V.) eine aktualisierte Version der Richtlinie DVS 3205 „Schutz vor Röntgenstrahlen an Elektronenstrahlmaschinen zur Materialbearbeitung“ veröffentlicht. Die Neufassung ersetzt die im Januar 2017 publizierte Vorgängerversion. Die Richtlinie enthält Informationen über Maßnahmen zum Schutz vor Röntgenstrahlen an Elektronenstrahlmaschinen zur Materialbearbeitung, insbesondere zum

  • Schweißen,
  • Bohren,
  • Härten und
  • Umschmelzen

metallischer Werkstoffe. Darüber hinaus weist die Richtlinie auf die Verantwortung, Ausbildung und den Schutz des Bedien-, Wartungs- und Instandsetzungspersonals hin.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um einen Auszug. Den vollständigen Beitrag finden Sie im Produkt „Die Schweißaufsicht im Betrieb“.

Strahlenschutzgesetz und Strahlenschutzverordnung geben Richtung vor

Als Grundlage für die DVS-Richtlinie 3205 dient das Gesetz zum Schutz vor der schädlichen Wirkung ionisierender Strahlung (Strahlenschutzgesetz – StrlSchG), das von der Strahlenschutzverordnung (StrlSchV) flankiert wird. Letztere stellt die Vollzugsfähigkeit zahlreicher im StrlSchG niedergelegter Grundsätze sicher, z.B.:

  • Aufsichts- und Verwaltungsverfahren
  • Genehmigungs- und Anzeigetatbestände
  • Grenz- und Referenzwerte
  • Strahlenschutzgrundsätze
  • Zuständigkeiten

Hinweis

Die Richtlinie DVS 3205 (2021/08) wurde von einer Gruppe erfahrener Fachleute in ehrenamtlicher Gemeinschaftsarbeit erarbeitet und ausgestaltet. Es wird empfohlen, den Inhalt der Richtlinie zu beachten und umzusetzen. Zuständig und verantwortlich für den Inhalt ist der Ausschuss für Technik im DVS Arbeitsgruppe V 9 „Strahlschweißen“ Arbeitsgruppe V 9.1 „Elektronenstrahlschweißen“. Die Anwender haben jeweils zu prüfen, inwieweit der Inhalt auf ihren speziellen Fall anwendbar und ob die ihnen vorliegende Fassung noch gültig ist. Eine Haftung des DVS und derjenigen, die an der Ausarbeitung beteiligt waren, ist ausgeschlossen.

Exkurs: Rechtsnatur des DVS-Regelwerks

Die Inhalte der DVS-Merkblätter und -Richtlinien sind grundsätzlich nicht verbindlich. Bei technischen Regeln wie dem DVS-Regelwerk handelt es sich nach allgemeiner Ansicht im weitesten Sinne um Empfehlungen, Handlungsanleitungen oder Vorschläge, die einen möglichen Weg zur Einhaltung eines Gesetzes, einer Verordnung oder eines technischen Sachverhalts aufzeigen. Technische Regeln definieren generell den allgemein anerkannten Stand der Technik. Sie dienen der technischen Sicherheit von Leben, Gesundheit und Sachgütern, dem Schutz der Umwelt, der Sicherung der Vergleichbarkeit und Kompatibilität sowie der Sicherung der Qualität von Produkten und Dienstleistungen. DVS-Richtlinien und -Merkblätter sind das Ergebnis einer nationalen Konsensbildung und spiegeln damit den Stand der Technik aus Sicht von Industrie, Handwerk und Forschung in Deutschland wider.

So unterscheiden sich „Richtlinie“ und „Merkblatt“

Das qualifizierte Schweißpersonal in den Betrieben weiß, dass es im DVS-Regelwerk sowohl „Merkblätter“ als auch „Richtlinien“ gibt. Der entscheidende Unterschied besteht darin, dass Richtlinien gegenüber den Merkblättern verbindlicher sind. Im Klartext bedeutet dies, dass der Fachwelt vor der Veröffentlichung einer Richtlinie eine Einspruchsfrist eingeräumt wird. Die Richtlinie wird vorab als Entwurf veröffentlicht und befindet sich in dieser Phase im sog. Gelbdruck. Ein solches Prozedere geht der Veröffentlichung eines DVS-Merkblatts nicht voraus.

Kein Muss: Anwendung des DVS-Regelwerks nicht verpflichtend

Die Anwendung von DVS-Richtlinien und -Merkblättern erfolgt grundsätzlich freiwillig, denn die über 500 Dokumente des DVS-Regelwerks sind rechtlich nicht verbindlich, sondern weisen lediglich Empfehlungscharakter auf. Von diesem Grundsatz gibt es jedoch Ausnahmen. So können Richtlinien und Merkblätter des DVS immer dann rechtsverbindlichen Charakter erlangen, wenn in einem Gesetz oder einer Verordnung auf sie verwiesen wird und sie auf diese Weise „Rechtsnormstatus“ erlangen. Dasselbe gilt, wenn die Anwendung eines DVS-Regelwerks im Einzelfall konkret vertraglich vereinbart wurde.

Einhaltung technischer Regeln löst Vermutungswirkung aus

Den Richtlinien und Merkblättern des DVS wird im Rahmen eines Rechtsstreits der „Beweis des ersten Anscheins“ zugebilligt, weil sie den allgemein anerkannten Stand der Technik dokumentieren. Mit anderen Worten wird zugunsten von Betrieben, die die Vorgaben einschlägiger DVS-Richtlinien bzw. DVS-Merkblätter einhalten und umsetzen, vermutet, dass sie rechtskonform agieren und ihre Mitarbeiter auf einem hohen Niveau schützen.

Das steht drin: Inhalt der DVS-Richtlinie 3205 im Überblick

Die vom DVS im August 2021 publizierte Originalversion der Richtlinie umfasst acht Seiten und ist in insgesamt sechs Kapitel gegliedert:

  • 1. Anwendungsbereich
  • 2. Röntgenstrahlen
  • 3. Vorschriften und Maßnahmen für die Inbetriebnahme von Elektronenstrahlmaschinen
    • 3.1. Allgemeines
    • 3.2. Unterlagen für das Genehmigungsverfahren
    • 3.3. Strahlenschutzverantwortliche, Strahlenschutzbeauftragte und sonstige Personen
    • 3.4. Fachkunde und Kenntnisse im Strahlenschutz, Unterweisung
    • 3.5. Prüfung durch einen Sachverständigen
  • 4. Maßnahmen beim Betrieb von Elektronenstrahlmaschinen zur Materialbearbeitung
    • 4.1. Allgemeine Maßnahmen
    • 4.2. Strahlenschutzmaßnahmen
    • 4.3. Kontrollbereich, Überwachungsbereich
  • 5. Schrifttum
  • 6. Anhang

1. Anwendungsbereich: Unterrichtung über Maßnahmen zum Schutz vor Röntgenstrahlen

Wie bereits eingangs erwähnt, verfolgt der DVS mit seiner Richtlinie 3205 das Ziel, die Anwender über Maßnahmen, die dem Schutz des Schweißpersonals vor Röntgenstrahlen an Elektronenstrahlmaschinen zur Materialbearbeitung dienen, zu informieren. Mit Materialbearbeitung sind hier in erster Linie das Bohren, Härten, Schweißen und Umschmelzen metallischer Werkstoffe gemeint. Die anderen inhaltlichen Schwerpunkte der Richtlinie bilden die Aspekte Verantwortung, Ausbildung und Schutzes des Bedien-, Wartungs- und Instandsetzungspersonals.

2. Die wichtigsten Fakten zur Röntgenstrahlung bei Elektronenstrahlmaschinen

Immer wenn Materialien mit Elektronenstrahlen bearbeitet werden, kommt es zum Eindringen hochbeschleunigter Elektronen in den Werkstoff. Den größten Teil ihrer kinetischen Energie geben die Elektronen als Wärme ab. Die Restenergie teilt sich in

  • rückgestreute,
  • durchdringende oder
  • sekundäre Elektronen

sowie auf eine physikalisch unvermeidliche Röntgenstrahlung. Bei dieser Röntgenstrahlung sind zwei Anteile zu unterscheiden:

  • Die eindringenden Elektronen lösen Veränderungen an den Elektronenhüllen der Werkstoffatome aus und verursachen eine Röntgenstrahlung mit den Bindungsenergien zugeordneten charakteristischen Wellenlängen. Diese sog. charakteristische Röntgenstrahlung weist einen geringen Anteil an der gesamten Strahlungsenergie auf.
  • Der erheblich größere Teil an Röntgenstrahlungsenergie kommt zustande, indem die eindringenden Elektronen in der Nähe positiv geladener Atomkerne aus ihrer Bahn gelenkt werden und kinetische Energie verlieren. Dieser Energieanteil wandelt sich in die sog. Bremsstrahlung. Die Röntgenbremsstrahlung ist durch ein kontinuierliches Wellenlängenspektrum charakterisiert, dessen kurzwellige Grenze von der Beschleunigungsspannung abhängt.

Es gilt folgender Grundsatz: Je höher der Wert der Beschleunigungsspannung ist, desto kurzwelliger (härter, durchdringender) ist die Röntgenstrahlung. Die diskreten Wellenlängen der charakteristischen Röntgenstrahlung bestimmen sich durch die Energieniveaus der von den Strahlelektronen angeregten Werkstoffatome, also von deren Ordnungszahl.

Minimierungsgebot: Strahlungsexposition ist auf ein Minimum zu reduzieren

Die Röntgenstrahlung ist für den Menschen schädlich. Vor dem Hintergrund, dass die Entstehung von Röntgenstrahlen bei der Elektronenstrahl-Materialbearbeitung nicht verhindert werden kann, werden diverse Maßnahmen ergriffen, um die Intensität der Strahlenbelastung für den Menschen auf einen dem Minimierungsgebot für die Strahlungsexposition (vgl. „Das sagt das Gesetz“) entsprechenden Wert zu verringern. Dieser Wert darf z.B. für Störstrahler in der Ortsdosisleistung 1 μSv/h nicht überschreiten.

Natürliche Strahlenbelastung beachten!

Was die Maßnahmen zur Reduzierung der Strahlungsexposition betrifft, gilt es zu berücksichtigen, dass die von der Röntgenstrahlung ausgehenden Gefahren mit der natürlichen umweltbedingten Strahlenbelastung des Menschen verglichen werden müssen. Zu den natürlichen Strahlquellen zählen:

  • kosmische Strahlung
  • Erdstrahlung aus radioaktiven Stoffen in Gesteinen bzw. Gebäuden
  • Einlagerung radioaktiver Stoffe im menschlichen Körper durch Atmung und Nahrung

Die natürliche, permanente Strahlenbelastung unterliegt sowohl örtlichen als auch zeitlichen Schwankungen. Im Gegensatz zu dieser permanenten Strahlung entstehen bei der Materialbearbeitung nach dem Abschalten des Elektronenstrahls keine Röntgenstrahlen mehr.

Das sagt das Gesetz (Strahlenschutzgesetz – StrlSchG):

§ 8 Vermeidung unnötiger Exposition und Dosisreduzierung

(1) Wer eine Tätigkeit plant, ausübt oder ausüben lässt, ist verpflichtet, jede unnötige Exposition oder Kontamination von Mensch und Umwelt zu vermeiden.

(2) Wer eine Tätigkeit plant, ausübt oder ausüben lässt, ist verpflichtet, jede Exposition oder Kontamination von Mensch und Umwelt auch unterhalb der Grenzwerte so gering wie möglich zu halten …

Autor: Ernst Schneider

Den kompletten Beitrag finden Sie im Produkt „Die Schweißaufsicht im Betrieb“.