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Das Elektronenstrahlschweißen sowie andere Verfahren der Materialbearbeitung mit dem Elektronenstrahl werden seit vielen Jahrzehnten sowohl in der Sondereinzelfertigung als auch in der Massenfertigung in einer enormen Anwendungsbreite mit großem Erfolg industriell genutzt.
Es gibt spezielle Anwendungsfälle, die dadurch gekennzeichnet sind, dass bereits geringfügige Änderungen der Strahlcharakteristik Abweichungen des Schweißergebnisses von den Sollvorgaben zur Folge haben können. In diesen Fällen ist es ratsam, die Eigenschaften und das Verhalten der Strahlquelle einer detaillierten Betrachtung zu unterziehen. Diesem Zweck dienen die in diesem Beitrag zum Merkblatt DVS 3207 skizzierten Hinweise.
Bei diesem Beitrag handelt es sich um einen Auszug. Den vollständigen Beitrag finden Sie im Produkt „Die Schweißaufsicht im Betrieb“.
Inhaltsverzeichnis
Elektronenstrahlschweißen für anspruchsvolle Fügeaufgaben
Das Elektronenstrahlschweißen (EBW) ist aufgrund seiner verfahrensspezifischen Eigenschaften, wie z.B.
- die reflexionsfreie hohe Energieumsetzung in sämtliche elektrisch leitfähigen Werkstoffe,
- die trägheitslose Strahlablenkung sowie
- das Schweißen im Vakuum,
für anspruchsvolle Fügeaufgaben besonders gut geeignet. Der Elektronenstrahl gilt als verschleißfreies und robustes Werkzeug.
Ziel: Gleichbleibende Strahlqualität nach Wechsel der Kathoden beim Elektronenstrahlschweißen
Die Kathode hat entscheidenden Einfluss auf die Strahlqualität. Gleichzeitig ist sie das relevanteste Verschleißteil in einer Elektronenstrahlmaschine. Generell können unterschiedliche Bauarten von Kathoden verwendet werden, insbesondere
- Blockkathoden,
- Bolzenkathoden,
- Haarnadelkathoden sowie
- Bandkathoden.
Nähte hoher Qualität fertigen
Wegen seiner hohen erreichbaren Nahtgüte, z.B.
- in weiten Bereichen gezielt steuerbare Nahtgeometrie,
- geringes Nahtfehleraufkommen,
- minimaler Energieeintrag sowie
- minimaler Schweißverzug,
und der damit verbundenen endkonturnahen Fertigungsmöglichkeit kommt das Elektronenstrahlschweißen oft innerhalb der letzten Fertigungsschritte einer Produktionskette und zum Schweißen komplexer und hochwertiger Bauteile zur Anwendung. Dabei werden sämtliche in Betracht kommenden metallischen Werkstoffe wie
- unlegierte Stähle,
- legierte Stähle,
- Aluminium sowie
- vor allem hochreaktive und schwierig zu schweißende Sonderwerkstoffe (z.B. Niob, Titan, Zirkonium und Nickelbasislegierungen)
bearbeitet. Leistungsfähige Steuerungen mit Mehrstrahl-/Mehrprozesstechnik, elektronenoptischer Abbildung der Fügestelle sowie automatischer Fugensuche ermöglichen das wirtschaftliche und endkonturnahe Schweißen komplexer Bauteile schon in geringen Stückzahlen.
Einen negativen Einfluss auf die Strahlqualität und somit auch auf das Schweißergebnis können
- Toleranzen beim Einbau der Kathode,
- der Verschleiß, dem die Kathode während ihrer Lebensdauer unterliegt, sowie
- Toleranzen von Maschinenparametern der Strahlerzeugung und Strahlformung (Beschleunigungsspannung, Strahlstrom und Linsenstrom)
haben.
Verschleiß der Kathoden beim Elektronenstrahlschweißen ist nur begrenzt vorhersagbar
Während einer Schweißung kann die Steuerelektronik einer modernen Elektronenstrahlmaschine sämtliche elektrischen Parameter (Strahlstrom, Beschleunigungsspannung und Fokussierspulenstrom) überwachen, regeln und protokollieren. Die Möglichkeit der Einflussnahme auf die tatsächliche Energieverteilung im Fokuspunkt ist hingegen nicht gegeben, weil diese insbesondere auch von den Kathodeneigenschaften abhängt.
Im Betrieb unterliegt die Kathode einem beständigen Verschleiß, der nur sehr eingeschränkt prognostizierbar ist und am Ende der Betriebszeit auch den Bruch der Kathode verursachen kann. Vor diesem Hintergrund ist es erforderlich, sich einen umfassenden Kenntnisstand bezüglich der funktionalen Zusammenhänge zwischen Kathodeneigenschaften, deren Änderung über die Lebensdauer sowie dem Schweißergebnis zu verschaffen und auf diese Weise diesem nicht maschinell geregelten Einflussfaktor beim Elektronenstrahlschweißen Berücksichtigung zu schenken.
Verschleißbedingte Auswirkungen der Kathode auf das Schweißergebnis
Beim Elektronenstrahlschweißen verwendete, in der Regel aus zertifiziertem Wolfram-Band hergestellte Kathoden weisen einen durch verschiedene Mechanismen ausgelösten Verschleiß auf, der erheblich von der Schweißaufgabe abhängt. Typische Standzeiten von Bandkathoden liegen zwischen 20 und 200 Stunden Betriebszeit (reine Schweißzeit).
Im Glühbetrieb wird trotz des geringen Dampfdrucks von Wolfram nur wenig vom Werkstoff verdampft, was zu einer Abnahme der Banddicke führt. Hierbei handelt es sich um einen unumgänglichen Mechanismus, der für die maximale Einsatzdauer der Kathode verantwortlich ist. Zudem treten Rekristallisationsvorgänge auf. Daraus folgen eine geänderte Gefügestruktur sowie Oberflächentopografie.
Der Schweißprozess selbst wirkt sich ebenfalls auf die Lebenszeit der Kathode aus. Hierbei spielen insbesondere der Druck in der Arbeitskammer, das bearbeitete Material sowie das aufgeschmolzene Volumen eine Rolle. Es kann passieren, dass aus der Schweißzone emittierter Metalldampf sowie Restgasatome aus der Atmosphäre der Arbeitskammer ionisieren und durch das elektrostatische Feld im Strahlerzeuger beschleunigt werden, auf die Oberfläche der Kathode treffen und Wolframatome herauslösen. In extremen Fällen können sich Krater, bei langer Beschusszeit auch Löcher bilden. Je höher der Dampfdruck des zu schweißenden Werkstoffs ist, desto mehr Ionen treffen auf die Kathode. Für den Fall, dass keine Gegenmaßnahmen ergriffen werden, muss beim Schweißen von Leichtmetallen wie Aluminium oder Magnesium mit einer erheblich kürzeren Standzeit der Kathode gerechnet werden.
Bei Schweißzeiten von vier Stunden an Bau- oder nichtrostendem Stahl treten keine sicht- bzw. messbaren Schädigungen durch Ionenbeschuss an der Kathode auf. Beim Schweißen von Aluminium ohne eine entsprechende Gegenmaßnahme kann es hingegen bereits zu ausgeprägten Erosionserscheinungen kommen. Vor dem Hintergrund, dass sich die akzeptablen Toleranzen des Strahls erheblich unterscheiden, gibt es keinen allgemeingültigen Grenzwert zum Verschleiß von Kathoden beim Elektronenstrahlschweißen.
Thermisch bedingte Auswirkungen der Kathode auf die Strahleigenschaften
Aufgrund der Betriebstemperaturen von rund 2.500 °C kommt es zu einer temperaturbedingten Verformung der Kathode. Da die Verformungen unmittelbar nach dem Einschalten der Kathodenheizung entstehen und sich im Betrieb nur noch marginal ändern, konnten bislang keine schweißprozessrelevanten Einflüsse der Verformungen festgestellt werden.
Mechanisch bedingte Auswirkungen der Kathode auf die Strahleigenschaften
In der Regel bestehen verschiedene Optionen der Abweichung der Kathode von ihrer Sollposition, z.B.:
- axialer Versatz durch Fehleinbau und/oder Aufwurf durch unpassende Biegewinkel
- lateraler Versatz durch Fehleinbau (möglich durch Verkippung)
Wiederholt vorgenommene Messungen an typischen Kathodenmontagevorrichtungen mit verschiedenen Kathoden veranschaulichen, dass die Einbauhöhe (axial) auf ± 0,015 mm konstant gehalten werden kann. Um dies dauerhaft sicherzustellen, sollte die Kathodenmontagevorrichtung einer regelmäßigen Überprüfung unterzogen werden. Auf das Schweißergebnis haben axiale Montageabweichungen in der genannten Größenordnung keinen messbaren Einfluss. Verursachen Montagefehler jedoch stärkere axiale Verschiebungen der Emissionsfläche, können diese beträchtliche Einwirkungen auf das Schweißergebnis haben.
Durch unsachgemäße Handhabung, durch Schmutzanhaftungen sowie Verschleiß im Bereich der Kathodenanlageflächen können bei der Montage der Kathode mit der Kathodenmontagevorrichtung Winkelabweichungen (lateraler Versatz) entstehen. Vor diesem Hintergrund ist es ratsam, auf sauberes Arbeiten sowie ggf. eine Einbaukontrolle, unter Umständen mithilfe eines Messmikroskops, zu achten, weil bereits sehr geringe Winkelabweichungen erheblichen Einfluss auf die Schweißnaht haben können.
Fehler beim Einbau von Kathoden vermeiden
Durch Fehlpositionierungen beim Kathodeneinbau kann es zu einer unregelmäßigen Intensitätsverteilung kommen. Bereits eine Verkippung der Kathode von 0,5° hat messbare Unregelmäßigkeiten in der Intensitätsverteilung des Strahls zur Folge und führt zu sichtbaren Abweichungen in den Schweißergebnissen, vor allem zu schweißrichtungsabhängigen Schwankungen der Einschweißtiefe und Nahtform.
Ausschließlich geschultes Personal sollte den Einbau von Kathoden in den Kathodenhalter vornehmen. Die Kathodenmontagevorrichtungen sollten stets sauber und spielfrei genutzt werden. Bei Spiel oder Beschädigungen an diesen Vorrichtungen müssen diese in qualifizierter Form neu kalibriert werden.
Autor: Lic. jur./Wiss. Dok. Ernst Schneider
Den kompletten Beitrag finden Sie in „Die Schweißaufsicht im Betrieb“.