Explosionsfähige Gemische (TRGS 722)

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Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat am 16.03.2021 die vom Ausschuss für Gefahrstoffe (AGS) gestaltete Neufassung der TRGS 722/TRBS 2152 Teil 2 „Vermeidung oder Einschränkung gefährlicher explosionsfähiger Gemische“ bekannt gemacht. Diese Technische Regel für Gefahrstoffe (TRGS) gilt für die Beurteilung der Explosionsgefährdungen durch Stoffe und Gemische, die gefährliche explosionsfähige Gemische bilden können. Sie konkretisiert die Auswahl und Durchführung geeigneter Schutzmaßnahmen zur Vermeidung oder Einschränkung gefährlicher explosionsfähiger Gemische.

Der Inhalt der TRGS 722 ist auch für die Praxis des Schweißpersonals von Relevanz. Da die benötigte Wärme zum Schweißen u.a. durch das Verbrennen von Gasen erzeugt wird, können beispielsweise durch Gaslecks, Fehler beim Öffnen/Schließen von Ventilen oder das Umkippen ungesicherter Gasflaschen explosionsfähige Gasgemische entstehen.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um einen Auszug. Den vollständigen Beitrag finden Sie in dem Produkt „Die Schweißaufsicht im Betrieb“.

Vermutungswirkung: Mit TRGS auf der sicheren Seite

Die Technischen Regeln für Gefahrstoffe (TRGS) geben den Stand der sicherheitstechnischen, arbeitsmedizinischen, hygienischen sowie arbeitswissenschaftlichen Anforderungen an Gefahrstoffe hinsichtlich des Inverkehrbringens und des Umgangs wieder. Technische Regeln für Gefahrstoffe sind generell nicht rechtsverbindlich. Werden sie eingehalten, bringt dies dem Unternehmen jedoch klare Vorteile. Denn Behörden und Berufsgenossenschaften gehen dann davon aus, dass die Vorschriften der Gefahrstoffverordnung erfüllt sind, soweit die TRGS die jeweilige Anforderung der Verordnung zum Thema haben (sog. Vermutungswirkung).

Gemäß § 7 Abs. 2 Satz 3 Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) gilt: „Bei Einhaltung dieser Regeln (TRGS) und Erkenntnisse ist in der Regel davon auszugehen, dass die Anforderungen dieser Verordnung (Gefahrstoffverordnung) erfüllt sind.“

So will die TRGS 722 explosionsfähige Atmosphären verhindern

Die TRGS 722 enthält und erläutert Maßnahmen, die der Vermeidung bzw. Verringerung von explosionsfähigen Atmosphären dienen. Dabei geht es u.a. um:

  • die bevorzugte Auswahl von Stoffen, die nicht zur Bildung explosionsfähiger Atmosphären neigen,
  • die Vermeidung der Bildung von explosionsfähigen Atmosphären in Anlagen, in Anlagenteilen oder in deren Umgebung,
  • die Überwachung der Konzentrationen von explosionsfähigen Stoffen sowie
  • Maßnahmen zur Vermeidung oder Beseitigung von Staubablagerungen in der Umgebung von staubführenden Anlagen oder Behältern.

Das steht in der TRGS 722

Das auf die wesentlichen Aspekte reduzierte Inhaltsverzeichnis der TRGS 722 lautet wie folgt:

1 Anwendungsbereich

2 Begriffsbestimmungen

3 Informationsermittlung und Gefährdungsbeurteilung

4 Maßnahmen, die gefährliche explosionsfähige Gemische verhindern oder einschränken

4.1 Vermeiden von Gefahrstoffen, die gefährliche explosionsfähige Gemische zu bilden vermögen

4.2 Konzentrationsvermeidung

4.3 Inertisierung für das Innere von Anlagen

4.4 Vermeidung explosionsfähiger Gemische durch Druckabsenkung oder Reduzierung der Auswirkung durch Druckabsenkung

4.5 Dichtheit von Anlagen

4.6 Lüftungsmaßnahmen

4.7 Überwachung der Konzentration in der Umgebung von Anlagen oder Anlagenteilen

1 Anwendungsbereich

Die TRGS 722 dient der Beurteilung von Explosionsgefährdungen durch Stoffe und Gemische (Gefahrstoffe), die gefährliche explosionsfähige Gemische bilden können. Ihr Sinn und Zweck besteht in der Konkretisierung der Auswahl und Durchführung geeigneter Schutzmaßnahmen zur Vermeidung oder Einschränkung gefährlicher explosionsfähiger Gemische.

2 Begriffsbestimmungen

Als Betriebskonzept werden sämtliche Einrichtungen sowie Prozess- und Betriebsbedingungen bezeichnet, die für den bestimmungsgemäßen Betrieb der Anlage einschließlich prozessnotwendiger Zustände (z.B. An- oder Abfahren) oder die ordnungsgemäße Durchführung einer Tätigkeit erforderlich sind.

Beispiele für erforderliche Betriebs- und Prozessbedingungen sind:

  • prozessbedingte Überschreitung der oberen Explosionsgrenze im Rahmen von Destillationsprozessen
  • Überlagerung mit Stickstoff zur Aufrechterhaltung der Produktqualität (z.B. gegen Vergilbung des Produkts)
  • aus arbeitshygienischen Gründen erforderliche Einrichtungen (z.B. Lüftung bei Verwendung toxischer Gefahrstoffe oder Absaugung bei staubenden Produkten)

3 Informationsermittlung und Gefährdungsbeurteilung

Konzeptionelle Überlegungen für die Planung

Wird eine Anlage geplant, die dadurch charakterisiert ist, dass in ihr mit großen Mengen brennbarer Gefahrstoffe umgegangen werden soll, muss ein besonderes Augenmerk darauf gerichtet sein, dass sich die Gefahrstoffe stets in geschlossenen Anlagenteilen befinden. So kann z.B. das Befüllen und Entleeren von Behältern mit brennbaren Flüssigkeiten in geschlossenen Systemen erfolgen – sofern sowohl die Flüssigkeits- als auch die Gasräume der Behälter durch Leitungen miteinander verbunden werden (Gaspendelverfahren).

Betriebsbedingte Austritte müssen auf ein Minimum reduziert werden. Welche technischen Maßnahmen hierfür in Betracht kommen, können Sie der Checkliste entnehmen.

Checkliste 1: Technische Maßnahmen zur Minimierung betriebsbedingter Austritte

FrageJaNein
Wird beim Umfüllen ein Vollschlauchsystem verwendet?
Wird in geschlossenen Systemen unter Anwendung der Gaspendelung umgefüllt?
Werden Entlüftungs- und Entspannungsleitungen in Gassammelsysteme geführt?
Ist an Probenahmestellen und Peilventilen durch besondere Einrichtungen sichergestellt, dass nur geringe Mengen austreten können?
Werden Entwässerungen über Schleusen geringen Rauminhalts mit gegeneinander verriegelten Absperrarmaturen vorgenommen?
Werden Objektabsaugungen verwendet?
Werden die Übergabestellen von staubförmigen bzw. staubhaltigen Produkten mit einer gegebenenfalls auch flexiblen Umhüllung aus weitgehend staubundurchlässigen Materialien versehen?
Wird ein Austreten von brennbaren Gefahrstoffen durch Unterdruckfahrweise vermieden oder verringert?

Fazit: Bei jeder mit „Ja“ beantworteten Frage handelt es sich um eine technische Maßnahme zur Minimierung betriebsbedingter Austritte im Sinne von Unterkapitel 3.1 der TRGS 722.

Grundsätzlich sind kontinuierliche Verfahrensweisen diskontinuierlichen, chargenweisen Arbeitsabläufen vorzuziehen.

Das Portionieren brennbarer Gefahrstoffe in kleinere Mengen sowie die Sicherstellung, dass sich jeweils nur kleinere Mengen gleichzeitig an einem bestimmten Ort befinden – selbst bei großem Mengenstrom –, ist in sicherheitsrechtlicher Hinsicht von Vorteil. Generell gilt, dass Freianlagen gegenüber Anlagen in Gebäuden vorgezogen werden sollten. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die natürliche Luftbewegung.

Zu gefährlichen Wechselwirkungen von Arbeitsvorgängen in benachbarten Anlagen darf es nicht kommen. Als sinnvolle Maßnahmen zur Erreichung dieses Zwecks erweisen sich in diesem Zusammenhang die räumliche Trennung oder gegenseitige Abschirmung.

Konkrete Voraussetzungen zur Durchführung der Gefährdungsbeurteilung

Als Grundlage für die Entwicklung des Explosionsschutzkonzepts dient die Gefährdungsbeurteilung. Für den Fall, dass das Auftreten explosionsfähiger Gemische nicht bereits unter Berücksichtigung

  • der Dichtheit der Anlage,
  • der natürlichen Lüftung oder
  • organisatorischer Maßnahmen

ausgeschlossen ist, bedarf es eines Explosionsschutzkonzepts. Das gilt für

  • explosionsfähige Atmosphären (TRGS 720 „Gefährliche explosionsfähige Gemische – Allgemeines“ Kapitel 3 Absatz 1 Nummer 1 bis 3) sowie
  • explosionsfähige Gemische unter nicht atmosphärischen Bedingungen (TRGS 720 „Gefährliche explosionsfähige Gemische – Allgemeines“ Kapitel 4 Absatz 2 Nummer 1 bis 3).

Das grundsätzliche Prozedere bei der Gefährdungsbeurteilung ist in den beiden Technischen Regeln TRGS 720 „Gefährliche explosionsfähige Gemische – Allgemeines“ sowie TRGS 721 „Gefährliche explosionsfähige Gemische – Beurteilung der Explosionsgefährdung“ beschrieben.

Als Ausgangspunkt der Gefährdungsbeurteilung kann das Betriebskonzept (vgl. Kapitel 2) dienen. Damit das Betriebskonzept im Zuge der Gefährdungsbeurteilung bei der Festlegung von Explosionsschutzmaßnahmen Verwendung finden kann, bedarf es des Vorliegens einer nachvollziehbaren Dokumentation, die auch die notwendigen Informationen zur Beurteilung von Abweichungen vom Betriebskonzept beinhaltet.

Hinweis
Störungen an einer Betriebseinrichtung können beispielsweise durch eine Abweichung der Produktqualität oder mittels Inspektionen erkannt werden.

Mess-, Steuer- und Regeleinrichtungen (MSR-Einrichtungen) des Betriebskonzepts fallen nicht unter den Anwendungsbereich der TRGS 725 „Gefährliche explosionsfähige Atmosphäre – Mess-, Steuer- und Regeleinrichtungen im Rahmen von Explosionsschutzmaßnahmen“.

Beurteilen der Auftretenswahrscheinlichkeit

Das Beurteilen der Auftretenswahrscheinlichkeit explosionsfähiger Gemische sowie wirksamer Zündquellen geschieht zunächst auf der Grundlage des vorliegenden Betriebskonzepts. Darauf basierend werden – sofern erforderlich – weitere Explosionsschutzmaßnahmen festgelegt (Explosionsschutzkonzept).

Das aus der vorgenannten Beurteilung entsprechend TRGS 720 „Gefährliche explosionsfähige Gemische – Allgemeines“ und TRGS 721 „Gefährliche explosionsfähige Gemische – Beurteilung der Explosionsgefährdung“ abgeleitete Explosionsschutzkonzept kann sich

  • aus Explosionsschutzmaßnahmen, in der Rangfolge zum Verhindern oder Einschränken explosionsfähiger Gemische zur Vermeidung von Zündquellen oder
  • zur Beschränkung der Auswirkung von Explosionen

zusammensetzen.

In der TRGS 722 werden Explosionsschutzmaßnahmen erläutert, die gefährliche explosionsfähige Gemische verhindern bzw. einschränken. Dazu zählen folgende Maßnahmen:

  • Vermeiden oder Einschränken von Gefahrstoffen, die explosionsfähige Gemische bilden können (vgl. Unterkapitel 4.1)
  • Konzentrationsbegrenzung (vgl. Unterkapitel 4.2)
  • Inertisierung für das Innere von Anlagen (vgl. Unterkapitel 4.3)
  • Vermeiden gefährlicher explosionsfähiger Gemische durch Druckabsenkung oder Verringerung der Auswirkung durch Druckabsenkung (vgl. Unterkapitel 4.4)
  • Dichtheit von Anlagenteilen (vgl. Unterkapitel 4.5)
  • Lüftungsmaßnahmen (vgl. Unterkapitel 4.6)
  • Überwachung der Konzentration in der Umgebung von Anlagen oder Anlagenteilen (vgl. Unterkapitel 4.7)
  • Maßnahmen zur Beseitigung von Staubablagerungen in der Umgebung von staubführenden Anlagen und Anlagenteilen sowie Behältern

Um Explosionsschutzmaßnahmen festlegen zu können, müssen die relevanten Informationen über

  • den Gefahrstoff,
  • den Prozess und
  • die Tätigkeit

vorliegen. Die Informationen müssen sich auf die konkreten örtlichen und betrieblichen Verhältnisse beziehen.

Was die Anforderungen an die Zuverlässigkeit der Explosionsschutzmaßnahmen zur Verhinderung oder Einschränkung von Gemischen betrifft, so müssen diese in der Gefährdungsbeurteilung festgelegt werden. Sofern im Rahmen des Explosionsschutzkonzepts MSR-Einrichtungen zum Einsatz kommen, müssen diese entsprechend den Vorgaben der TRGS 725 „Gefährliche explosionsfähige Atmosphäre – Mess-, Steuer- und Regeleinrichtungen im Rahmen von Explosionsschutzmaßnahmen“ einer Bewertung unterzogen werden.

Autor: Ernst Schneider

Den kompletten Beitrag finden Sie in dem Produkt „Die Schweißaufsicht im Betrieb“.