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Viele Manager sind sich ihrer persönlichen Haftung nicht bewusst. Im Falle eines Rechtsstreits verlassen sie sich auf die Rechtsabteilung ihres Unternehmens oder auf die Versicherung. Aber die Produktverantwortlichen in der Produktion werden – zumindest in strafrechtlicher Hinsicht – immer persönlich verantwortlich gemacht!
Bei diesem Beitrag handelt es sich um einen Auszug. Den vollständigen Beitrag finden Sie im Produkt „Die Schweißaufsicht im Betrieb“.
Inhaltsverzeichnis
Sorgfaltswidrigkeit
Strafrechtliche Produkthaftung wird definiert als die persönliche strafrechtliche Verantwortung von Unternehmensmitarbeitern für die Verletzung anderer in ihren strafrechtlich geschützten Rechtsgütern, wenn diese Verletzung auf dem Gebrauch von fehlerhaften Produkten beruht, die objektiv sorgfaltswidrig in den Verkehr gebracht wurden.
Es ist also davor zu warnen, anzunehmen, ein strafrechtliches Risiko treffe immer eine Schweißaufsichtsperson voll und andere gar nicht. Strafrechtliche Risiken bestehen individuell in dem Umfang gegenüber Verantwortlichen, wie deren Verantwortlichkeiten reichen (und verletzt wurden).
Haftungsrisiko
Das strafrechtliche Haftungsrisiko von Unternehmensleitungen und führenden Mitarbeitern wie den verantwortlichen Schweißaufsichtspersonen wiegt schwer. Die Ausrichtung von Unternehmen auf die Vermeidung aller nur denkbaren Produktrisiken wird dementsprechend zur Notwendigkeit!
Grundsätzliches
Die Hersteller von Schweißkonstruktionen haben beim Schweißen höchste Sorgfalt anzuwenden, damit keine Gefahr von ihren geschweißten Produkten ausgeht. Da das Unternehmen als solches jedoch nicht strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden kann, ergeben sich diesbezüglich zunächst zwei Problempunkte:
- zum einen die Pflicht der einzelnen Schweißaufsichtsperson, die Gefahren, die von einem fehlerhaften Produkt ausgehen, von Dritten im Rahmen ihrer Verantwortung bei der Produktion abzuwenden hat
- zum anderen die Frage, wer bei einem vielschichtigen Schweißprozess für einen bestimmten Verstoß verantwortlich ist
Im Bereich der operativen Unternehmensrisiken sind Produktrisiken nicht mehr allein unter dem Gesichtspunkt der zivilrechtlichen Haftung des Unternehmens und der damit verbundenen Konstruktions-, Beobachtungs- und Instruktionspflichten, sondern auch der persönlichen strafrechtlichen Verantwortung der Unternehmensleitung und führender Schweißaufsichtspersonen zu beurteilen. Angesichts der drohenden Sanktionen – Geldstrafe sowie bis zu drei bzw. fünf Jahre Freiheitsstrafe in Fällen der fahrlässigen Körperverletzung bzw. Tötung – will der vorliegende Abschnitt in der angemessenen Kürze die Haftungsrisiken aufzeigen und das Problembewusstsein für diesen Bereich schärfen.
Strafbarkeit
Strafrechtliche Inanspruchnahme ist demgegenüber bei Vorliegen entsprechender Umstände unvermeidlich. Voraussetzungen der Strafbarkeit sind:
- Erfüllung eines Straftatbestands durch aktives Handeln oder pflichtwidriges Unterlassen
- vorsätzlich
- fahrlässig
- Rechtswidrigkeit des Verhaltens, die bei Straftatbeständen in der Regel vorliegt
- Verschulden, d.h. persönliche Vorwerfbarkeit
Wichtige Straftatbestände sind:
- fahrlässige Tötung
- fahrlässige Körperverletzung
Für die Unternehmenspraxis von zunehmender Bedeutung sind die Tatbestände des Umweltstrafrechts.
Unternehmensleitung
Die Pflichtendelegation im Unternehmen fordert, dass alle Rechtsvorschriften, die für Unternehmen und Betriebe gelten, von einer Generalverantwortung der Unternehmensleitung ausgehen. Die Geschäftsleitung ist immer dafür verantwortlich, dass innerhalb der von ihr geleiteten Unternehmen tatsächlich alle betriebsbezogenen Rechtspflichten erfüllt werden. Dies ergibt sich schon aus den gesellschaftsrechtlichen Bestimmungen des Aktiengesetzes, des GmbH-Gesetzes und des Handelsgesetzbuchs, das im Strafrecht die Gesamtverantwortung des Gesamtorgans betont.
Diese Generalverantwortung bedeutet jedoch nicht, dass andere Mitarbeiter des Unternehmens, wie Schweißaufsichtspersonen, keine strafrechtliche Verantwortung treffen kann. Dies würde unberücksichtigt lassen, dass die praktizierte Arbeitsteilung in Unternehmen Auswirkungen auf die Beurteilung strafrechtlicher Sachverhalte haben muss.
Ist in einem Unternehmen eine ordnungsgemäße Delegation von Aufgabe, Kompetenz und Verantwortung erfolgt, so ist die Rechtsfolge, dass nur der Delegationsempfänger, also die Schweißaufsichtsperson, strafrechtlich verantwortlich gemacht werden kann.
In der Praxis heißt das, dass
- die Schweißaufsichtspersonen, an die Aufgaben delegiert werden, zuverlässig und für die Aufgabenwahrnehmung ausreichend qualifiziert sein müssen,
- den Schweißaufsichtspersonen die übertragenen Aufgaben ausdrücklich und genau mitgeteilt werden müssen; ein pauschaler Hinweis, dass die Schweißaufsichtsperson die gesetzlichen Pflichten beachten muss, genügt diesem Anspruch nicht
- die Schweißaufsichtsperson, an die Aufgaben übertragen werden, hinsichtlich der Erfüllung der Aufgaben überwacht werden muss.
Hat der Vorgesetzte der Schweißaufsichtsperson alle diese Voraussetzungen erfüllt, so kann er in der Regel strafrechtlich nicht verantwortlich gemacht werden!
Strafrechtliche Vorwerfbarkeit
Anknüpfungspunkt der strafrechtlichen Vorwerfbarkeit auf der Ebene der Geschäftsleitung ist überwiegend die Verletzung sogenannter betriebsbezogener Sorgfaltspflichten (Organisations-, Aufsichts- oder Kontrollpflichten). Hierbei ist Schwerpunkt der strafrechtlichen Vorwerfbarkeit im Gegensatz zum unmittelbar handelnden Unternehmensmitarbeiter in der Regel nicht „aktives Tun“, sondern vielmehr „pflichtwidriges Unterlassen“. Dieses ist strafrechtlich relevant, wenn der Täter rechtlich dafür einzustehen hatte, den tatbestandlichen Erfolg abzuwenden (sogenannte Garantenpflicht).
Die Voraussetzungen der Garantenpflicht werden als Garantenstellung bezeichnet, die sich im Umweltstrafrecht insbesondere aus vorangegangenem, gefahrbringendem Verhalten (Ingerenz) sowie den Verkehrssicherungspflichten ergibt. Hierunter fällt etwa das Unterlassen der Anordnung von Bodenaushub, in den Gefahrstoffe eingedrungen sind, oder das Unterlassen des Rückrufs umwelt-/gesundheitsschädlicher Produkte. Im Falle eines Organisations-, Aufsichts- oder Überwachungsverschuldens der Mitglieder der Geschäftsleitung kann deren Garantenstellung aus der Verantwortung für mögliche, vom Unternehmen als Gefahrenquelle ausgehende Umweltbeeinträchtigungen abgeleitet werden.
Organisationspflicht
Der Vorwurf strafrechtlicher (Mit-)Verantwortung kann sich aber auch daraus ergeben, dass ein Vorgesetzter seiner Organisationspflicht nicht genügt, soweit die unzureichende Organisation Ursache für eine strafbare Handlung im Unternehmen war.
Gerade diese Verletzung von Anweisungs-, Auswahl-, Überwachungs- und Organisationspflichten kann dazu führen, dass im Falle strafbarer Handlungen eines einzelnen Mitarbeiters die gesamte Führungslinie dieses Mitarbeiters bis hin zum Organ strafrechtlich zur Verantwortung gezogen wird.
Die Strafermittlungsbehörden prüfen, ob im Einzelfall die nicht ausreichenden Anweisungs-, Auswahl- und Überwachungspflichten die strafbare Handlung ermöglicht haben. Dies kann beispielsweise dann zutreffen, wenn die durchzuführenden Handlungen nicht detailliert genug angewiesen worden sind und es hierdurch zu Missverständnissen bei den Mitarbeitern gekommen ist.
Nachweis der Schuld
Anders als bei der Beurteilung zivilrechtlicher Sachverhalte, wo die Unternehmen den Nachweis zu erbringen haben, dass eine ordnungsgemäße Organisation vorliegt, ist es Aufgabe der Strafermittlungsbehörden, den beteiligten Schweißaufsichtspersonen eine Schuld nachzuweisen. Dies darf jedoch nicht dahin missverstanden werden, dass Unklarheiten der Organisation über den Grundsatz „im Zweifel für den Angeklagten“ zu einer höheren Sicherheit für die betroffenen Schweißaufsichtspersonen führen könnten.
Der Schuldvorwurf gegen jede einzelne Schweißaufsichtsperson kann sich dabei sowohl aus einem Unterlassen, Fehlen der Organisation, Nichtdurchführung von Unterweisungen/Schulungen etc. als auch aus einem aktiven Tun (falsche Anweisung, fehlerhafte Organisation etc.) ergeben!
Verantwortung als Übernahme der Verpflichtung
Als Verantwortung bezeichnet man die Pflicht einer Schweißaufsichtsperson, für die zielentsprechende Erfüllung einer Aufgabe persönlich Rechenschaft abzulegen!
Organisationsverschulden
Führungskräfte wie Schweißaufsichtspersonen tragen über ihre persönlichen Handlungen und erreichten Ergebnisse hinaus die Verantwortung für ihre Mitarbeiter. Ist ihnen bekannt oder hätte ihnen bekannt sein können, dass ein Schweißer mit bestimmten Aufgaben beispielsweise überfordert ist, so trägt nicht nur der Mitarbeiter die Verantwortung für die individuelle Schlechtleistung, sondern auch die Schweißaufsichtsperson für die falsche Beauftragung des Mitarbeiters (Organisationsverschulden)!
Eine Schweißaufsichtsperson wirkt als Vorbild, weil Mitarbeiter sich an ihr orientieren. Diese Vorbildfunktion sollte sich durch Engagement für die Sache, Zuverlässigkeit, Ehrlichkeit und Vertrauenswürdigkeit auszeichnen.
Delegation von Entscheidungsprozessen
Aus Gründen der Mitarbeitermotivation wie auch der Entscheidungsqualität ist grundsätzlich eine Entscheidungsdezentralisation anzustreben. Dies bedeutet, dass je nach Entscheidungsgegenstand, persönlicher Eignung und Motivation eine Delegation von Entscheidungsprozessen stattfinden sollte. Kann dies nicht geschehen, so sollten nach Möglichkeit die Mitarbeiter an den Entscheidungsprozessen beteiligt werden, indem beispielsweise deren Kenntnisse und Erfahrungen aus der täglichen Praxis an der „vordersten Front“ mit einbezogen werden.
Die Art und Weise, in der die Führungsaufgaben der Schweißaufsichtspersonen wahrgenommen werden, ist für die Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter von besonderer Bedeutung. Der von den jeweiligen Schweißaufsichtspersonen praktizierte Führungsstil muss diese Leistungsbereitschaft unterstützen und eine entsprechend große Gesamtleistungsfähigkeit ermöglichen.
Organisation des Betriebs
Jeder an schweißtechnischen Prozessen beteiligte Vorgesetzte und Mitarbeiter ist für die ihm obliegenden Tätigkeiten verantwortlich! Dabei wird der Umfang der Verantwortung umso größer, je höher die handelnden Personen in der Hierarchie des Unternehmens angesiedelt sind. In letzter Konsequenz heißt dies, dass für die Verletzung von Organisationspflichten Geschäftsführer, Schweißaufsichtsperson, Meister, Vorarbeiter in die Verantwortung respektive Haftung genommen werden können.
Bei der Organisation des Betriebs geht es also auch darum, wie die persönlichen Haftungsrisiken der Führungskräfte beherrscht werden können.
Autor: Dipl.-Ing. Reinhard Örtl
Den kompletten Beitrag finden Sie in „Die Schweißaufsicht im Betrieb“.